Liebe Foris,
es liegt mir gerade so einiges auf der Seele und weil ich nicht weiß, wo ich es aufschreiben soll, eröffne ich einfach mal
einen neuen Thread.
Ich fange mal mit meiner Mutter an.
Wie vielleicht einige schon wissen, hatte meine Mutter mit 47 Jahren Brustkrebs. Ich war damals 5 Jahre alt.
Man kann sagen, der Brustkrebs hat meine Kindheit bestimmt.
Meine Mutter war die personifizierte Angst.
Bei jedem Pickel, den sie hatte, dachte sie, das sei ein Rezidiv.
Das hört sich vielleicht lustig an, aber für mich war das schlimm.
Ich habe mir damals geschworen, ich möchte nie so werden wie meine Mutter.
Meine Mutter ist heute 94 Jahre alt, und sie hat nie wieder Krebs bekommen.
Aber sie hat 47 Jahre lang, ihr halbes Leben, in Angst gelebt.
Ich hatte die erste Krebsdiagnose mit 45 Jahren.
Ja, die Erkenntnis, dass man nicht unsterblich ist, haut einen um.
Als ich diesen Schock überwunden hatte und mich wieder berappelt hatte, kam die zweite Diagnose mit 49 Jahren.
Danach dachte ich, so, jetzt ist alles wieder gut.
Mit 52 dann der Oberhammer: G3 und Her2positiv
Meine Tochter war bei der ersten Diagnose 7 Jahre alt und bei der letzten 14.
Ich versuche immer, soweit es geht, offen mit ihr über alles zu sprechen.
Sie soll nicht in einer Atmosphäre von Angst aufwachsen müssen.
Mein Schlüsselerlebnis hatte ich in der AHB. Da war eine Ärztin, die war ziemlich dick und sehr nett.
Sie sagte, wissen Sie, nach ihrer Erkrankung haben Sie ein genauso hohes Risiko, wieder Krebs zu bekommen, wie jede
andere Frau in Deutschland auch.
Ich schaute sie groß an. Stimmt eigentlich. Im Laufe ihres Lebens erkrankt bei uns jede 8.Frau an Brustkrebs.
Ich wurde nachdenklich.
Wenn das so ist, sollte ich versuchen, ganz normal weiterzuleben, oder?
Ich mache natürlich alles dafür, dass der Krebs nicht wiederkommt.
Alles medizinisch notwendige sowieso, aber auch homöopathisch, komplementärmedizinisch, ich mache Sport und
Psychotherapie, esse meistens gesund und wende die Simonton-Methode an.
Und sonst?
Und sonst lebe ich!
Ich hätte ja nie gedacht, wie schön das Leben ist!
Ich musste zuerst krank werden, um das festzustellen.
Was wäre das für ein Leben, wenn ich die ganze Zeit Angst hätte?
Ich überlege nicht mehr lange, ob ich mir diesen Mantel oder jene Schuhe kaufen soll, ich kaufe sie mir einfach!
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Ich liebe es, zu unterrichten.
Ich denke oft während des Unterrichts, wie lange kann ich das wohl noch machen?
Also genieße ich jede Minute.
Ich mache keinen Sport mehr, den ich hasse.
Ich habe es gehasst, durch die Gegend zu rennen und Yoga habe ich eigentlich auch noch nie gerne gemacht.
Jetzt kann ich nicht mehr joggen, weil mir nach der Chemo alle Gelenke schmerzen und Yoga geht sowieso nicht mehr.
Na und?
Ich genieße jetzt lange Spaziergänge mit langen Gesprächen mit meinem Mann und schwimme für mein Leben gern.
Wieso habe ich das nicht schon viel früher gemacht?
Die Angst hat mich wacher gemacht.
Sie hat mir die Augen geöffnet für die Dinge, die wirklich zählen.
Ich bin wichtig. Wenn es mir nicht gut geht, kann ich auch nicht für andere da sein.
Ich darf es mir schön machen.
Ich darf mich am Leben freuen. Wozu sonst lebe ich?
Und wenn der Krebs zurückkommt, kann ich sagen, hey, ich habe gelebt. Und ich habe es genossen.